Von Philipp Schöttler, Senior Cross-Asset Strategist, Quintet Private Bank
Aktien erreichen neuen Höchststand
Während die Impfkampagnen in weiten Teilen Europas nach wie vor schleppend voran kommen, zeigen sich die Erfolge des raschen Impffortschritts in den USA. Mit deutlich über 100 Mio. verabreichten Covid-19-Impfdosen steht das Land an der Spitze. Jede dritte Impfung weltweit findet derzeit in den USA statt. Zum Vergleich: In der Europäischen Union wurden bisher weniger als die Hälfte Impfungen verabreicht – trotz der um 35% höheren Bevölkerung. Der Fortschritt in den USA schlägt sich in den Wirtschaftsdaten nieder. Der US-Arbeitsmarkt erholte sich zuletzt rasant und das Verbrauchervertrauen steigt. Hinzu kommt das riesige Konjunkturpaket der Biden-Regierung.
Da wundert es nicht, dass der US-Aktienmarkt zuletzt neue Höchststände verzeichnen konnte. Der S&P 500 legte seit Wochenbeginn 1% zu. Der technologielastige Nasdaq gewann sogar 2,3% hinzu, handelt aber immer noch etwas unter seinem Februar-Hoch. Es scheint als hätte der Zinsanstieg, der die Anleger noch vor Kurzem in Atem hielt und vor allem bei Wachstums-Aktien im IT-Bereich zu Marktverlusten geführt hatte, seinen anfänglichen Schrecken verloren. Die Rendite 10-jähriger US-Treasuries pendelte sich zuletzt bei 1,6% ein. Angesichts des erwarteten wirtschaftlichen Aufschwungs ist das kein übertrieben hohes Niveau.
Inflationsangst
Ob die US-Notenbank das auch so sieht, wird sich am Mittwoch zeigen, wenn die Zentralbanker zu ihrem regulären Treffen zusammenkommen. Änderungen des geldpolitischen Kurses sind nicht zu erwarten. Dennoch muss Fed-Chef Powell eine schwierige Gratwanderung schaffen. Einerseits ist eine schrittweise Normalisierung des Zinsniveaus aufgrund einer guten Wirtschaftsentwicklung begrüssenswert. Andererseits kann ein zu rascher Anstieg die Erholung gefährden. Powells bisherige Aussagen lassen darauf schliessen, dass er Wirtschaft und Märkten im Zweifelsfall lieber «zuviel» als «zuwenig» Unterstützung zukommen lässt.
Die auf absehbare Zeit sehr lockere Geldpolitik dürfte eine der Triebfedern hinter dem rasanten Anstieg der US-Inflationserwartungen über die letzten Monate gewesen sein. Die mittelfristigen Inflationserwartungen haben mit 2,6% den höchsten Stand seit der Finanzkrise erreicht. Tatsächlich hat die Angst vor einem raschen Inflations- und Zinsanstieg laut einer aktuellen Umfrage Covid-19 als grösste Anlegersorge erstmals seit Pandemie-Beginn abgelöst. Profitieren konnten davon insbesondere inflationsgeschützte Anleihen, die sich deutlich besser als nominale Staatsanleihen entwickelten. Gold, ein anderer beliebter Inflationsschutz, litt seit Jahresbeginn unter dem Anstieg der Realzinsen, kletterte aber in den letzten Tagen leicht auf 1740 US-Dollar. Der Schweizer Franken, der seit Mitte Februar deutlich unter der steigenden Nachfrage nach Währungen mit höherer Verzinsung gelitten hatte, erholte sich in den letzten Tagen auf einen Kurs von 1,10 gegenüber dem Euro.
Umbruch im Autosektor
Während der (konjunkturelle) Frühling in Europa auf sich warten lässt, zeigten sich Aktienanleger zu Wochenbeginn auch hier optimistisch. Der Eurostoxx 50 stieg seit Montag um 0,5% und der SMI legte 0,9% zu. Die Hoffnung auf eine schrittweise Lockerung der Reisebeschränkungen beflügelte vor allem Fluggesellschaften. Die Aktien von Ryanair (+3,6% seit Montag), IAG (+1,5%) oder Lufthansa (+1,1%) gewannen deutlich.Wenn Nachhaltigkeit kein derart angesagtes Thema wäre, würden viele dieser Stellen einfach nicht existieren. Man sollte bedenken, dass mittlerweile rund 11 Millionen Menschen weltweit im Sektor der erneuerbaren Energien tätig sind, und Tesla, der aktuelle Börsenliebling im Nasdaq, beschäftigt bereits mehr als 50‘000 Mitarbeiter.
Wie sich Anleger auch in schwierigen Zeiten überzeugen lassen, zeigte diese Woche Volkswagen. Der Konzern konnte für das Gesamtjahr 2020 trotz des Umsatzeinbruchs im ersten Halbjahr einen Gewinn verbuchen. Auch der angekündigte ambitionierte Ausbau der Elektrosparte, um spätestens 2025 Tesla als weltweit führende E-Automarke abzulösen, stiess bei Investoren auf Zustimmung und liess VW-Vorzugsaktien seit Wochenbeginn um über 10% steigen. VW-Stammaktien schossen gar um über 20% nach oben, was möglicherweise auf grosse Nachfrage von US-Anlegern zurückzuführen ist. »E-Mobilität hat das Rennen gewonnen», erklärte CEO Herbert Diess den angestrebten Umbau der Unternehmensstrategie.
Dieser Artikel wurde am 17. März 2021 in der Finanz und Wirtschaft publiziert.
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